Der starke Mediator: Besondere Anforderungen an die Mediation in der Bau- und Immobilienwirtschaft

A:

Seit gut einem Jahr interessiert mich die Frage, fordern Baumediationen eine besondere Form der Mediation?
Aufgrund von 12 von mir durchgeführten Baumediationen antworte ich mit einem klaren: Ja!
Aber der Teufel steckt im Detail.
Andere Mediatoren werden auf die Frage mit einem Nein antworten.
Lassen Sie mich zunächst einen Vertreter des Neins näher darstellen:

Dr. Markus Troja Mediator, Moderator und Trainer. Tätigkeitsschwerpunkte in der Wirtschaftsmediation sowie Umwelt, Bau, Planung.

ZKM 2004, 22 ff Untertitel: Der reine Dollarkonflikt:

Es ging um einen Konflikt zwischen Generalunternehmer und Nachunternehmer (Streit: Nachträge und Preisgleitklausel).Der außergerichtliche Streit (beide Parteien anwaltlich vertreten) hatte schon 1 ½ Jahre gedauert. Wäre es auch in der Mediation zu keiner Einigung gekommen, so hätte sich ein langes und teures Schiedsverfahren mit ungewissem Ausgang angeschlossen.
Auch für dieses Mediationsverfahren hat Troja sein Mediationscredo vorangestellt:
„Geht man von den Ideen des Transformationsansatzes (psychologische Grundlagen menschlichen Konfliktverhaltens – soziales Lernen) aus, konnte den Vertretern der beiden Unternehmen eine einvernehmliche Regelung des Konfliktes nur gelingen, wenn Ängste und Abwehrverhalten abnehmen und ein Gefühl der Gemeinsamkeit und Verbun-denheit in der Problemlösung entsteht. Dafür mussten sich die Beteiligten im Prozess der Konfliktbearbeitung gestärkt fühlen – und zwar emotional und in der Beziehung zueinan-der, nicht im strategischen Sinne – und sich als Menschen mit ihren unterschiedlichen Perspektiven, Wertvorstellungen und Interessen gegenseitig anerkennen.“

Das Verfahren lief die üblichen  Schritte durch:

    • Vorstellungsrunde
    • Rolle und Funktion beim Bauwerk mit Visualisierung
    • Was ist den Beteiligten wichtig, z.B. die Familie = erste Übereinstimmung
    • Erwartungen und Ängste hinsichtlich der Mediation
    • Mediator berichtet von sich – gute Grundstimmung
    • Abschluss des Mediationsvertrages mit Mediationsregeln
    • Juristische Auslegung der Verträge durch die Rechtsanwälte
      (Troja meint dies war für die Konfliktlösung irrelevant)
      Die Rechtsanwälte verließen vereinbarungsgemäß die Mediationsrunde
    • Bildung dreier Untergruppen. paritätischbesetzt.
      Aufgabe, auf Moderationskarten eine Themensammlung zu erstellen. Zusammenführung im Plenum
      Ende des Vormittages
    • Interessenklärung
    • Ergebnis Vertrauen war gewachsen, die Frage blieb, wo sollte das erforderliche Geld herkommen,
      Ende des ersten Tages
      Gemeinsamer Abend im Hotel in gutem Einvernehmen
    • Zweiter Tag
    • Brainstorming mit 21 Lösungsansätzen
    • Prioritäten – Visualisierung mit Punkten der Wertigkeit

Dann gemeinsamer Entschluss, man ging wie folgt auseinander:
Die Projektleiter berechnen die erforderlichen Kosten und treffen sich dann beide in einem späteren Termin zunächst allein.

Ende der Mediation

(Pech: Der Nachunternehmer meldete noch bevor die Projektleiter sich trafen Insolvenz an)

These von Troja:
Mediatorinnen und Mediatoren unterscheiden sich sehr stark in ihrem eigenen Rollenverständnis, insbesondere bei der Frage, in welchem Maße der Fokus ihrer Tätigkeit auf dem Inhalt des Konfliktes oder auf dem Prozess liegen sollte. Damit einher geht die Frage nach den notwendigen Kenntnissen. Sind eher fachspezifische (z.B. juristische, planerische, ökonomische etc.) oder eher psychologische Kompetenzen für die Mediationspraxis hilfreich?
Nach der ersten Methode stören Emotionen und tiefer liegende menschliche Bedürfnisse  in diesem Prozess eher. Der Konflikt soll durch möglichst sachliche Verhandlungen sowie rationale und objektive Bewertungen gelöst werden. Psychologische Grundlagen werden für die Mediationsarbeit nach diesem Leitbild nicht genutzt.
Anders die „psychologische“ Mediation, die den Rahmen für soziales Ler-nen bietet.

B: Mein eigener beruflicher Hintergrund (Mediation)

Seit gut 5 Jahren bin ich ausgebildeter Mediator.
Neben 8 anderen Mediationen habe ich in dieser Zeit

12 Baumediationsverfahren durchgeführt:

  • Fälle 1-7: 7 Baumediationen: Jeweils Generalunternehmer/Nachunternehmer/einmal mit Hotelkette (Großbaustelle eines 25-Millionenprojektes ECE und weiteres ECE Projekt)
  • Fall 8: Konflikt einer HWK mit ihrem Architekten 3 Bauwerke
  • Fall 9: Konflikt Auftraggeber/Architekt (Botschaft)
  • Fall 10: Nachbarstreit wegen Bauplanung
  • Fall 11: Finanzielle Auseinandersetzung GmbH und GbR/ Mehrere Gebäude
  • Fall 12: Auseinandersetzung einer GbR von 2 Bau- Handwerkern

Mit Ausnahme der Sache 10 endeten sämtliche Verfahren am Ende mit einer Einigung.

Nur die Fälle 10) bis 12) konnten nach dem bewährten Mediationsablauf
in 5 Stufen in mehreren Sitzungen abgewickelt werden.
Die üblichen Schritte eines Mediationsverfahrens:

  1. Schritt 1: Zusammentreffen der Beteiligten. Erläuterung der Grundsätze der Mediation durch den Mediator. Vereinbarung der Regeln sowie der Gebühren.
  2. Schritt 2: Die Medianten stellen ihre Sichtweisen des Konflikts dar. Der Mediator
    visualisiert und paraphrasiert die Darstellung der Medianten.
  3. Schritt 3: Die hinter den von den Medianten geäußerte Positionen liegenden Interessen und Gefühle werden ergründet.
  4. Schritt 4: Kreative Entwicklung von verschiedensten Lösungsmöglichkeiten. Bewertung durch die  Medianten selbst. Ausscheiden von ungeeigneten Lösungsideen. Suche nach win-win-Lösungen, von denen alle Medianten profitieren können.
  5. Schritt 5: Nach der Einigung auf eine einvernehmliche Lösung, die aus mehreren Unterpunkten bestehen kann, wird die Mediation abgeschlossen durch eine schriftliche Fixierung, die dann von den Beteiligten unterzeichnet wird.

Die Fälle 1 – 9, also ¾ der Fälle hatten sämtlich einen abweichenden, untereinander aber ähnlichen, Verlauf, den ich gerne als Beleg der Besonderheit der Mediation in Bausachen nachfolgend näher darstellen möchte. Die Fälle 1 bis 7 endeten mit einer Einigung nach ca. 8 – 10 Stunden (die Fälle 8 und 9 jeweils nach 5 Stunden):

In 7 Fällen befanden sich die Medianten wegen des Baufortschritts in großem Zeitdruck. Der Fertigstellungstermin nahte, die Vertragsstrafe drohte. Der Konflikt ergab sich insbesondere aus drängenden Mängelrügen, Einbehaltungen von Abschlagszahlungen, Drohung mit Einstellung der Arbeiten und Abzug der Arbeitskolonne.
Die Anrufung der Gerichte (oder vereinbarten Schiedsgerichte) war aus zeitlichen Gründen in dieser Situationaussichtslos.

C: Schilderung des Ablauf einer Baumediation

1. Marketing
Fall 1
Das Ganze begann damit, dass ein Nachunternehmer eine Restwerklohn-forderung von 260.000,00 EUR aus einer Gesamtauftragsumme von ca. 1,8 Mio forderte. Der Generalunternehmer zahlte nicht mehr, der NU sollte zunächst die Mängel beseitigen. Der NU verwies auf Nachträge und Stun-dennachweise und drohte mangels Abschlagszahlung seine Mannschaft abzuziehen. Sowohl dem GU wie dem NU drohte eine Vertragsstrafe.
Der Nachunternehmer aus München fragte seinen Anwalt, was halten Sie hier von Mediation. Antwort: Sehr viel, ich kenne einen, der das kann.
der hat im letzten Jahr 6 Parteien (Wert 6 Mio) an einem Tag geeint.
Der Nachunternehmer nahm Telefonkontakt zu mir auf.
Ich schilderte ihm meine umfangreichen Schiedsrichter- und Mediatoren-aktivitäten und erwähnte beiläufig, dass ich schon einen Vortrag bei der ARGE Mediation gehalten hätte.
Darauf folgende E-Mail vom NU an seinen Gegner:

eMail
Betreff: Vorschlag für Mediator
Absender: “Franz Ha”
Empfänger:      ho
Kopie- <bischof.schiedsg(at)t-online(dot)de> Datum: 16. May 2007 12:55
Sehr geehrter Herr Ho,
basierend auf dem Gespräch vom 15.05.2007 schlagen wir als Mediator
Herrn
Hans-Helmut Bischof
Vizepräsident am OLG Koblenz, AD Tel.: 0261 / 133 48 95 vor.
Zu Ihrer Info :
Herr Bischof hält Gastvorträge in der Arbeitsgemeinschaft Mediation im Deutschen Anwaltsverein und stünde auch für Referenzen im Vorfeld zur Verfügung.
In diese Mediation sollten aufgenommen werden
– die strittigen Inhalte der gestellten Nachträge sowie – die strittigen Tagelohnnachweise.
Sehr geehrter Herr Ho, ich bitte diesen Vorschlag zu prüfen und stehe Ihnen für Rückfragen gerne und jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen

Mit dieser knappen Werbung sah ich meine Chancen als gering an.
Nach langem Hin- und Hergerissensein entschloss ich mich 2 Tage später zu folgender E-Mail an den GU:

eMail
Betreff: Mediator
Absender: “bischof.schiedsg(at)t-online(dot)de” <bischof.schiedsg(at)T-Online(dot)de>
Empfänger: b
Kopie              D
Datum: 18. May 2007
Sehr geehrter Herr H,
nach Rückkehr vom Deutschen Anwaltstag Mannheim, bei dem ich in der Arbeitsgemeinschaft Mediation in einem Workshop mitgearbeitet habe, finde ich die e-mail von Herrn Ha. vor.
Darf ich kurz zu meiner Unabhängigkeit bemerken:
Ich habe weder berufliche noch private Kontakte zu den beiden Unternehmen oder einem ihrer Mitarbeiter.
Mit Herrn Ha hatte ich nur ein Telefongespräch, in dem er meine Adressdaten erfragte und in dem ich ihm zu meiner fachlichen Kompetenz unter anderem die Ihnen jetzt von ihm mitgeteilten Angaben machte.

In der Anlage füge ich eine aus diesem Anlass erstmals gefertigte kurze Zusammenstellung meiner beruflichen Daten als Mediator bei.

Mein üblicher Stundensatz beträgt zwischen 250,00 und 300,00 € (je nach Schwierigkeit), der in der Regel von beiden Teilen je zur Hälfte zu tragen ist.

Ich würde mich freuen, wenn ich Ihr Vertrauen gewinnen könnte. Mit freundlichen Grüßen

H. Bischof

Darauf Sendepause, keine Antwort.
Akte weglegen?
Da ich vor Jahren schon einmal mit einer „Leichenrede“ einen guten Erfolg hatte – ob das schicklich ist, ist eine andere Frage-
entschloss ich mich nach einem Monat zum

Telefonat 18.06.2007
Kurzzusammenfassung:
Hat sich die Angelegenheit erledigt, kann ich die Akte weglegen. Nein, mitentscheidender Kollege war in Urlaub.
Aber, nach allem, was ich von der Mediation weiß, dauert das ja mehrere Sitzungen lang und zieht sich hin.
Sind Sie denn ein Schneller, können Sie nachhaltig zupacken.
Antwort, das sehen Sie doch, sonst hätte ich doch nicht angerufen.
Antwort: Ok, die Sache ist ein versuch Wert. Ich unterrichte den Gegner.

eMail 23.06.2007

Sehr geehrter Herr Ha, sehr geehrter Herr Ho,

ich danke für das gemeinsame Vertrauen in meine Person als Mediator
Von Herrn Ha habe ich erfahren, dass als Termin der 3.7.2007 13 00 h in Wiesbaden vorgesehen ist.
In der Anlage finden Sie den Entwurf eines Mediationsvertrages, den ich gerne am 3.7.2007 mit Ihnen abschließen möchte.
Zur Beschleunigung des Termins vom 3.7. 2007 halte ich es für angebracht, wenn ich den Bauvertrag vorher schon einmal durchlesen könnte.
Darf ich daher den Auftraggeber bitten, mir den Vertrag  sowie die Nachtragsangebote alsbald zuzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
H.Bischof

2. Muster einer Mediationsvereinbarung
I.
Mediationsvereinbarung
zwischen
1. D GmbH
und
2. A
– einerseits – im folgenden kurz Medianten genannt

und

Hans Helmut Bischof, (VizePräsOLG a.D.) Mediator, Stefan Andres Str. 28 in 56077 Koblenz Tel.0261 1334895 Fax 0261 1334896
– andererseits – im folgenden kurz Mediator genannt.

1. Die Medianten beauftragen den Mediator zur Durchführung des
Mediationsverfahrens, dessen Ziel die von den Medianten selbst erarbeitete ein
vernehmliche Regelung ihres aufgetretenen Konfliktes  im Zusammenhang mit dem
Bauvorhaben L Wiesbaden ist.
2. Das Mediationsverfahren ist abgeschlossen, sobald die einvernehmliche Rege-lung in einer Abschlußvereinbarung schriftlich fixiert ist, unterzeichnet von
den Medianten und dem Mediator.
3. Wie die Abschlußvereinbarung selbst unterliegt auch das Mediationsverfahren der freien Regelung durch die Medianten. Sie sind insbesondere gegenüber dem Mediator und untereinander zur jederzeitigen Beendigung der Mediation berechtigt.
4. Der Mediator wird nicht im Interesse eines, sondern aller Medianten ausschließlich tätig. Er ist während und nach Abschluss der Mediation zu
vollständigem Still¬schweigen allen Dritten gegenüber und zur
Zeugnisverweigerung ver¬pflichtet.
5. Der Mediator darf im Einverständnis aller Medianten mit einzelnen Medianten „Vieraugengespräche“ führen. Er darf Informationen, die er in solchen Einzelsit-zungen mit nur einer Partei erfahren hat, einer anderen Partei oder Dritten nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Informationsgebers zugänglich machen. Dabei muß der Mediator klären, ob, in welchem Umfang und wem gegenüber er von den Informationen Gebrauch machen darf.
6. Ihre Rechte und Pflichten untereinander zur Durchführung dieses Media¬tions-
verfahrens vereinbaren die Medianten in gesonderter Urkunde II..
7. Die Abänderung dieser Vereinbarung muss schriftlich erfolgen. Ausgenommen
von der Schriftform zur Abänderung dieser Vereinbarung ist der Ausspruch der
Kündigung nach Ziffer 3 dieser Vereinbarung.
8. Sollte eine der vorstehenden Vereinbarungen unwirksam sein, gilt statt der
unwirksamen Vereinbarung die gesetzliche Regelung; die übrigen Abreden bleiben
unberührt.
9. Vergütungsvereinbarung
Das Honorar des Mediators wird grundsätzlich auf der Basis eines nach Stundenaufwand zu berechnenden Zeithonorars (300,00  € + 19 % MWSt), berechnet. Ein angemessener Zeitaufwand für die Vorbereitung (z.B. Aktenstudium)  und Nachbereitung der einzelnen Mediationssitzungen ist eben-falls zu honorieren. Die Reisezeit als solche wird nicht angesetzt.
Jede Partei übernimmt – ungeachtet der gesamtschuldnerischen Haftung -¬
im Innenverhältnis 150,00 € + 19 % MWSt..
Auslagen für Reisen (PKW: 0,40 EUR /km) werden gesondert in Rechnung gestellt und tragen die Medianten zu Je 50 %.

Sollte das Mediationsverfahren durch eine einvernehmliche Abschlussvereinbarung enden,  so erhält der Mediator eine Einigungsgebühr
1,5 gem. VVRVG Nr.1000   aus dem Gesamtwert aller Einigungspunkte.

II.

Vereinbarung zwischen den Medianten

1. D GmbH
und
2.  A
1. Wir haben obige Mediationsvereinbarung I. geschlossen.
2. Die Besonderheiten eines Mediationsverfahrens sind uns nach durchgeführter Belehrung bekannt. Uns ist bewusst, dass wir nun im fairen, offenen, vertraulichen Umgang miteinander eine einvernehmliche Regelung unseres Konflikts mit Hilfe des Me¬diators erreichen wollen.
Wir verpflichten uns, den Mediator in einem etwaigen Rechtsstreit zwischen uns, nicht als Zeugen über Tatsachen zu benennen, die er im vertraulichen
Mediationsverfahren von uns gehört hat.
3. Uns ist bekannt, dass der Mediator seinen Honoraranspruch -ungeachtet der
Aufteilung im Innenverhältnis – gegen jeden von uns in voller Höhe als
Gesamtschuldner geltend machen kann.
4. Wir halten uns an diese Vereinbarung bis zum Abschluss des Mediationsverfahrens – der auch vor zustande gekommener Abschlussvereinbarung von jedem von uns jederzeit herbeigeführt werden kann gebunden.
5. Diese Vereinbarung kann im übrigen nur einverständlich, dann schriftlich, abgeändert werden.

 

 

3. Terminsablauf
Ich begann mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Auf beiden Seiten war die kaufmännische und die technische Leitung sowie ein oder zwei weitere am Bau Tätige erschienen.
Schon bei dieser Gelegenheit wurde von beiden Seiten mit Nachdruck die Erwartung geäußert, dass man am selben Tag fertig werden solle.
Zu Beginn trug (gemäß hergestelltem Einverständnis) der AN (NU) seine derzeit offenen Zahlungsansprüche abschnittsweise vor. Nach jedem Punkt antwortete der AG (GU) und ich machte mir heftig Notizen. Das forderte von mir höchste Konzentration, zumal dabei der Streit immer wieder zu eskalieren drohte und verabredete Sprechregeln verletzt wurden.

Gelegentlich hatte ich Rückfragen: Habe ich Sie richtig verstanden,…
Nachdem innerhalb von 1 bis 2 Stunden die streitigen Punkte beidseits vorgetragen waren, zog ich mich 20 – 30 Minuten allein zurück, bewertete die einzelnen Punkte nach Risiko, warf jeweils zu den Punkten Vorschlag-zahlen aus und addierte diese.
Dann habe ich gemäß vorheriger Absprache mit beiden Streitgruppen ge-trennt eine vorläufige Bewertung mit Zahlen vorgenommen und eine Gesamtsumme genannt.
Die Antwort war bei beiden Gruppen:
„Viel zu viel   !“
„Viel zu wenig!“
Wir waren noch viel zu weit auseinander.
Ich ging dann zunächst noch einmal ins Plenum und erörterte einige Hauptpunkte noch einmal näher und ließ beide Seiten noch einmal ihre Sicht der Dinge dazu, also zu einzelnen von mir genannten Kernfragen bei diesen Punkten, darlegen. da wurde es dann manchmal laut und emotio-nal, was ich versuchte, durch wohlwollendes Wiederholen (Paraphrasie-ren) zu entkrampfen.
Das gelang nicht immer. In einem Falle schlug der Chef des Nachunter-nehmens so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass das vollgefüllte Glas mit Mineralwasser mit einer Wasserfontäne hochsprang und er ankündig-te, er wolle jetzt gehen.
Da ich ihm gut zuredete, blieb er dann doch.
Nach der Nacherörterung der Punkte ging ich dann wieder ins
4-Augengespräch mit beiden Seiten.
Etwa um 19.00 h hatten wir uns geeinigt und ich hatte die Einigung
handschriftlich zusammen mit den Streitparteien formuliert.
Als ich dann noch einmal vorlas und gerade gesagt hatte:
„Vorgelesen und“,
wurde ich jäh vom GU gestoppt,
„Wir haben noch etwas vergessen.
Wenn wir dem Investor eine Vertragsstrafe zahlen müssen, ist unser NU aber dabei mit 20 %, weil wir durch ihn schon jetzt in Verzug gekommen sind.“
Antwort:
„Jetzt reichst aber, wir gehen, war die Antwort des NU.“
Sie sehen, von Freiwilligkeit und autonomer eigene Lösung des Konfliktes
war hier keine Rede.
Lösung: Wieder 2 x 2 Vieraugengespräche (1 ½ Stunden). Ergebnis:
Reduzierung der zunächst (mit Aufwaschklausel) im Vergleichswege aus-gehandelten Restforderung von 120.000,00 EUR um 5.000,00 EUR auf 115.000,00 EUR und Verzicht auf anteilige Übernahme der noch unsi-cheren Vertragstrafe  (Investor gegenüber GU).

Die Fälle 2) bis 7) und ferner der Fall 8) liefen im Wesentlichen ähnlich ab.
Manche waren friedlicher, andere noch emotionsgeladener. In einem Falle hat der Verantwortliche einer Partei den Sitzungssaal verlassen, weil man ihm vorhielt, zum Ende des Bauablaufs den örtlichen Bauleiter der Gegenseite finanziell abgeworben zu haben und daher von jenem Baulei-ter zuvor schriftlich akzeptierte Nachträge in Wahrheit nicht berechtigt gewesen zu seien.
Der Fall 9) bot seine besondere Schwierigkeit, weil eine Seite nur
französisch sprach.
Die Fälle 10) bis 12) erstreckten sich über mehrere Mediationssitzungen, sodass hier in den Fällen 10) und 11) der echte Mediationsstil praktiziert werden konnte. Ganz aus dem Rahmen fiel der Fall 12), bei dem es auch um eine Immobilie mit Reparaturarbeiten und Mietausfällen und Darle-hensrückständen ging. Letztlich ging es hier um einen tiefgreifenden Streit innerhalb einer BGB Gesellschaft zwischen zwei Handwerkern. Beide waren nach vorangegangenen Prozessen mit Gerichtvollzieherpfändungen inzwischen so verfeindet, dass es mir bis zuletzt nicht gelang, beide an einen Tisch zu bringen. Die Mediation wurde vom Handwerker A initiiert, der Handwerker B war nur zögernd zu einer Mediation bereit, lehnte aber jeden finanziellen Beitrag zu den Kosten der Mediation ab.
Nach 1 ½ Jahren hatte ich nach vielen Telefonaten und
4-Augengesprächen eine Auseinandersetzungsvereinbarung erzielt. Selbst zum Beurkundungstermin beim Notar erschien absprachegemäß nur eine Seite in Person, die Gegenseite ließ sich trotz der Mehrkosten durch den Notargehilfen vertreten.

4.                   Schlussfolgerungen aus meinen Baumediationen
Nach meinen Beobachtungen neigen wir Juristenmediatoren ohnehin mehr zum eingreifenden Verhandlungsstil in der Mediation als die Psychologen.
Dass es in Bausachen vielleicht auch anders gehen kann, wollte ich durch
das Eingangsbeispiel von Troja schildern.
Nur, wenn es heißt, wir haben nur einen Tag, dann bleibt wohl kein anderer Weg, als stärker zu lenken und auch eigene Vorschläge neben den Anregungen der Medianten zu machen. Und Teilnehmer an Baume-diationen neigen sämtlich zur Eile.
Bei einer Baumediation, die zeitlich noch in den Bauablauf eingreift, sind die Parteien selbst sehr stark an einer Lösung interessiert und eher (nach Schaffung einer guten Gesprächsatmosphäre) bereit, selbst kreative Lösungsvorschläge einzubringen, wie etwa einen zusätzlichen Bautrupp, um Zeit aufzuholen, konkrete Festlegung von Mängelbeseitigung innerhalb einer Frist, Auflösung eines Zahlungseinbehaltes, Einigung auf eine Minde-rung oder eine Kompensation.
Ist der Bau schon abgeschlossen (wie bei 2 der vorstehend genannten 7 Mediationen), so handelt es sich um einen „reine Dollarkonflikt“ i.S von Troja.
Dann geht es eigentlich nur noch um das Verteilen des Geld-Kuchens.
Wenn es im 4 – Augengespräch dann auch noch heißt, mit denen arbeiten wir nie mehr zusammen, dann scheidet auch diese Möglichkeit der Erweiterung der Verteilmasse, des win-win, aus.
Ich habe einmal einen klugen Satz zum gerichtlichen Vergleichen hinsichtlich des Prozessrisikos gehört, an dem sicher vieles richtig ist:
„Die Prozessparteien wissen am besten in ihrem Innersten, wo ein gerechter Kompromiss auf der Grundlage des Prozessrisikos liegt.“
Trifft der Richter bei seinem Vergleichsvorschlag diesen Punkt (oder den engen Bereich) nicht, so kann er den Vergleich vergessen. Das gilt genauso für den Mediatorvorschlag.
Also zunächst einmal muss man als Ausgangspunkt für einen Lösungsvorschlag das Prozessrisiko richtig bewerten, dann aber treten weitere Punkte hinzu, wie
– persönliche oder wirtschaftliche Macht einer Partei
– dringender Bedarf an flüssigem Geld
– Streben nach Harmonie, Ruhe
– Vermeidung von überflüssigen Kosten
– einmal richtig mir Empathie angehört zu werden
– usw.
Wenn der ausgebildete Mediator das alles im Hinterkopf behält und soweit es ihm möglich ist, auch anwendet, so lässt sich auch in reinen „Dollar-konflikten“ in Bausachen (mit viel Geduld im zweiten Teil und äußerster Aufmerksamkeit beim Sachvortrag) eine gemeinsam erarbeitete Lösung erzielen.
Zwei wichtige Schritte eines üblichen Mediationsverfahrens waren in den Fällen mit knapper Zeit kaum zu leisten:
3. Schritt: Die hinter den von den Medianten geäußerte Positionen liegenden Interessen
und Gefühle werden ergründet.
4. Schritt: Kreative Entwicklung von verschiedensten Lösungsmöglichkeiten durch die Medianten.

Stattdessen wurden die Stufen 3. und 4. durch die im Ergebnis zielführen-den vertraulichen Einzelgespräche des Mediators mit jeweils einer Seite ausgefüllt. Zur Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit von Vieraugenge-sprächen trotz des Grundsatzes der Allinformiertheit und Offenheit siehe etwa Eidenmüller „Die Rollen eines Mediators und Mediationstechniken“ in Henssler/Koch Mediation in der Anwaltspraxis 2. Aufl. § 2 Rn.73 ff. Auch Koch ist ein großer Anhänger der Möglichkeit von Einzelgesprächen. Hier-bei kann der Mediator – notfalls mit Pendeltechnik – ausloten, in welcher Richtung eine Lösung des Konfliktes möglich ist. Beim Vieraugengespräch ist eine große Geduld des Mediators und absolute Vertraulichkeit mit Ermächtigung zur Weitergabe von Teilen gefordert.

Abschließend:
Auch für Bausachen gibt es kein Patentrezept:
Jeder Einzelfall entwickelt eine Eigendynamik und fordert spezielle und jeweils unterschiedliche Vorgehensweisen mit den Instrumenten der Mediation. Eine stets freundliche Empathie, und wenn es bei der ein oder anderen Partei auch noch so schwer fällt, ist der wichtigste Schlüssel zum Erfolg. Es muss auch bei großem Streit gelegentlich gelacht werden.
Jede Mediation ist daher von Anfang an ein spannendes Abenteuer und danach (nach Abschluss einer Vereinbarung) fühlt man sich so wohlig „satt“ wie nach mehreren Saunagängen.

Nachsatz zur Honorarsicherung
In drei der Fälle erwies es sich angesichts der Arbeit des Mediators ohne Vorschuss (kurze Frist, fehlender Vertrag zu Beginn) als sehr nützlich, dass beide Seiten als Gesamtschuldner für das Honorar hafteten und  die Seite, die sich in der Vereinbarung zur Zahlung der Hauptsumme an die Gegenpartei verpflichtete, diese Zahlung in Höhe der von der Gegenseite geschuldeten Hälfte des Honorars so lange zurückhielt, bis der Mediator ihr den Zahlungseingang der Gegenseite anzeigte.
In einem Falle war es sogar nötig, dies über eine Abtretung in Höhe des Halbbetrages zu lösen, sodass die Zahlseite im Ergebnis das gesamte Mediatorhonorar an den Mediator unter Abzug des Halbbetrages von der Hauptsumme zahlte.